Es gibt Handgriffe beim Brotbacken, die man irgendwann einfach im Gefühl hat. Das Teig dehnen und falten gehört für mich eindeutig dazu. Anfangs wirkt es fast nebensächlich – man denkt, das Kneten hätte schon alles erledigt. Doch genau hier beginnt die eigentliche Magie: Durch das wiederholte, sanfte Falten bekommt der Teig Kraft, Struktur und Spannung.
Beim Dehnen und Falten wird der Teig sanft auseinandergezogen und anschließend wieder über sich selbst gelegt. Dabei ordnen sich die Glutenstränge, die für die Stabilität im Brot verantwortlich sind. Der Teig bekommt Spannung, kann die Gärgase besser halten und entwickelt eine feinere Krume.
Was mich daran immer wieder fasziniert: Es passiert alles ohne Kraft. Keine hektischen Bewegungen, kein starkes Kneten. Nur Geduld, Zeit und ein Gefühl für den richtigen Moment. Mit jeder Faltung verändert sich der Teig – er wird glatter, elastischer und reagiert fast wie ein lebendiger Organismus.
Besonders bei Teigen mit hoher Hydratation, also weichen Teigen mit viel Wasser, ist das Falten unverzichtbar. Es verhindert, dass der Teig auseinanderläuft, und sorgt dafür, dass er am Ende beim Backen schön aufgeht.
Das Dehnen und Falten passiert während der Teigruhe – also in der Phase nach dem Mischen, bevor geformt wird. Ich falte meinen Teig meist zwei- bis dreimal, im Abstand von etwa 30 bis 45 Minuten. Wie oft du das machst, hängt von deinem Teig ab. Es gibt kein starres Rezept, sondern nur Hinweise, die du mit der Zeit immer besser deuten lernst.
Wenn der Teig nach der ersten Ruhephase noch weich und etwas klebrig ist, freut er sich über eine weitere Runde Falten. Wird er spürbar fester und glatter, ist er meist gut entwickelt.
• Nach dem Mischen: Der Teig ruht zuerst abgedeckt, damit sich das Mehl vollständig mit der Flüssigkeit verbinden kann.
• Erste Faltung: Nach etwa 30 Minuten ziehe ich den Teig von einer Seite an und lege ihn über die Mitte.
• Weitere Faltungen: Noch ein oder zwei Mal, je nachdem, wie sich der Teig anfühlt.
Ich falte meinen Teig meist direkt in der Schüssel. Die Hände leicht anfeuchten, eine Seite des Teigs vorsichtig anheben, dehnen und über die Mitte legen. Dann das Ganze aus der gegenüberliegenden Richtung wiederholen – und so weiter, bis der Teig rundum Spannung aufgebaut hat.
Das Ganze dauert keine Minute. Danach darf er wieder ruhen. Zwischen den Faltungen sieht man, wie er sich verändert – erst wirkt er schwer und unruhig, später glatt, elastisch und lebendig.
Bei sehr weichen Teigen verwende ich gerne eine geölte Teigwanne. So klebt nichts, und das Dehnen und Falten geht mühelos. Wenn du das ein paar Mal gemacht hast, bekommst du ein Gefühl dafür, wann dein Teig genug Struktur hat.
Beim Brotbacken spielt alles zusammen: Zeit, Temperatur und Gefühl.
Wenn es in deiner Küche warm ist, kann sich der Teig schneller entwickeln, und du brauchst eventuell weniger Faltungen. Bei kühleren Temperaturen braucht er etwas mehr Aufmerksamkeit.
Ich falte lieber einmal zu viel als einmal zu wenig – vor allem bei Teigen, die viele Vollkornanteile enthalten oder mit Sauerteig geführt werden.
Nach jeder Faltung sollte der Teig ausreichend ruhen, damit sich die neuen Strukturen festigen können. Diese Ruhephasen sind genauso wichtig wie die Bewegung selbst. Der Teig braucht sie, um stabil und gleichmäßig zu reifen.
Wenn du deinen Teig regelmäßig dehnst und faltest, siehst du den Unterschied beim Backen sofort. Die Krume ist lockerer, unregelmäßig und schön offen. Die Kruste bekommt Spannung, und das Brot springt im Ofen gezielt auf.
Aber auch geschmacklich verändert sich etwas. Durch die längeren Ruhezeiten und die sanfte Bearbeitung entwickeln sich mehr Aromen – das Brot schmeckt tiefer, voller und bekommt dieses typische „handwerkliche“ Aroma, das man einfach nicht kaufen kann.
Ein Brot, das ohne Faltungen gebacken wurde, erkennt man sofort: dichter, flacher, kaum Struktur. Es fehlt einfach das Leben, das beim Falten in den Teig gebracht wird.
Mit der Zeit wird das Dehnen und Falten zu einem natürlichen Teil deiner Routine. Es ist kein Arbeitsschritt, den man abhaken muss, sondern ein Moment der Verbindung mit dem Teig.
Ich liebe es, wenn der Teig beim Falten plötzlich an Spannung gewinnt und spürbar „mitarbeitet“. Genau da weiß ich: Jetzt ist er auf dem richtigen Weg.
Am Ende ist das vielleicht das Schönste am Brotbacken – man lernt, loszulassen, zu beobachten und dem Teig das zu geben, was er braucht: Zeit, Aufmerksamkeit und ein paar achtsame Handgriffe
Wenn du beim nächsten Mal das Verhältnis von Wasser zu Mehl perfekt abstimmen möchtest, oder die Zutaten etwas abwandeln möchtest, nutze gerne meinen Profi-Hydratationsrechner – damit findest du deine ideale Teigkonsistenz ganz einfach heraus.
Und falls du Lust hast, das Brot live zu sehen, schau gern auf meinem Instagram-Profil [@brotmitherz] vorbei – dort findest du ein Reel dazu.